Interview:Wie Hagedorn alte Industriegelände nachhaltig nutzbar macht

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Hagedorn

Interview

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Thomas & Barbara Hagedorn

Geschäftsführer Hagedorn Unternehmensgruppe

Alte Industrieareale nachhaltig nutzbar zu machen - genau das ist die Kernkompetenz der Unternehmensgruppe Hagedorn. Die Sprengung des Steag-Kraftwerks in Lünen ist ein aktuelles Beispiel dafür, wie das Gütersloher Unternehmen alte Industrieflächen des Ruhrgebiets revitalisiert und damit zukunftsfähig macht. Dazu sprachen wir mit den beiden Geschäftsführern Thomas und Barbara Hagedorn.

Das Ruhrgebiet befindet sich bekanntlich im permanenten Strukturwandel. Das bedeutet, dass immer wieder Altes weichen muss, um Platz für Neues zu schaffen. Hier setzen Sie mit Hagedorn an und verwandeln alte Industriegelände in Orte, an denen wieder alles möglich ist. Inwieweit ist „Aus alt mach neu“ auch ihre Unternehmens- oder gar Ihre persönliche Philosophie?

Thomas Hagedorn: Unsere Branche hat oft ein nicht allzu gutes Image. Dabei ist der Fokus unserer Arbeit nicht das Zerstören, sondern das Wiederaufbereiten. Wir schaffen Neues – auf nachhaltige Weise und mit einem Mehrwert für die Menschen und für die Region. Wir revitalisieren ausgediente Industrieflächen, die brach liegen oder dem modernen Nutzer nicht mehr entsprechen. Damit vermeiden wir Neuflächenversiegelungen und verhindern, dass Hektar um Hektar neu zugebaut wird. Brownfields sind unserer Meinung nach der einzige Ausweg aus dem Flächenmangel und damit der einzige Ausweg, um die Ziele der Bundesregierung zu erreichen und bis 2050 auf einen Neuflächenverbrauch von Netto Null zu kommen. Wir stellen uns dieser Verantwortung und packen es an, denn Ressourcen zu schonen und zu schützen entspricht unserer Philosophie.

Barbara Hagedorn: Wir sind der festen Überzeugung, dass wir den Strukturwandel gemeinsam gestalten müssen – verantwortungsvoll und nachhaltig. Es ist an der Zeit, stärker denn je an die Zukunft zu denken und neue Perspektiven aufzuzeigen. Denn insbesondere die Region zwischen Rhein und Ruhr spürt die Auswirkungen durch den anstehenden Kohleausstieg – doch wir glauben an die Potenziale des Wandels und schaffen Platz für neue Ideen und Arbeitsplätze.

In Lünen haben Sie ein Steinkohlekraftwerk der Steag gesprengt, das acht Jahrzehnte lang die Region geprägt hat. Was ist das für Sie beide für ein Gefühl, wenn der Sprengknopf gedrückt wird?

Thomas Hagedorn: Das Steag-Kraftwerk in Lünen ist ein Symbol für den Strukturwandel im Ruhrgebiet und die Sprengung stand für uns und viele andere sinnbildlich für einen Neuanfang. Deshalb war das ein ergreifender Moment. Gleichzeitig war und ist uns bewusst, dass damit für viele ein Stück Geschichte weggebrochen ist.

Barbara Hagedorn: Man muss sich vorstellen, dass das Kraftwerk 80 Jahre lang die Lebensgrundlage vieler Menschen darstellte. Dann zu sehen, wie die Gebäude zu Fall gehen, ist nicht unbedingt leicht. Aber wir sind froh, dass alle Sprengungen planmäßig verlaufen sind und so viele Menschen durch unser Online-Event hautnah dabei sein durften. Denn uns war wichtig, dass trotz Corona jeder die Möglichkeit hat, dieses besondere Ereignis zu erleben. Das ist uns gelungen.

Die Sprengung ist im Jahr 2021 erst der Anfang gewesen. Wo steht das Projekt in Lünen jetzt?

Thomas Hagedorn: Nach der Sprengung folgten der Rückbau und die Verwertung der gesprengten Objekte. Es gab viel zu tun. 40 Großbagger und Maschinen kamen zum Einsatz, darunter auch der größte Abbruchbagger Deutschlands. Mittlerweile sind die Abbruch- und Rodungsarbeiten auf dem Gelände weitestgehend abgeschlossen. Die letzten Rückbauarbeiten von Kellern und Fundamenten sollen dann voraussichtlich Ende März beendet sein.

Barbara Hagedorn: Beim Rückbau ist viel Material angefallen, aber wir legen großen Wert darauf, dass so viel wie möglich wiederverwendet wird. In Lünen wurden zum Beispiel 100 Prozent des rund 180.000 Tonnen schweren Bauschutts recycelt und direkt vor Ort wiederverwendet. Auch Holz und anfallender Schrott werden vollständig recycelt. So werden Ressourcen geschont, Transporte minimiert und die Entsorgung reduziert.

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Was sind die nächsten großen Meilensteine?

Thomas Hagedorn: Ein nächster großer Meilenstein ist das umfassende Bodenmanagement. Dazu gehört die Herstellung eines Erdplanums, das für die Bebauung des Geländes und die künftige Oberflächenentwässerung erforderlich ist. Außerdem laufen Abstimmungen mit den wesentlichen Stakeholdern aus Politik und Verwaltung, was die Art der künftigen Nutzung angeht. Für den Verkauf der zehn Hektar großen Nordfläche stehen wir aktuell in Vertragsverhandlungen und hoffen, hier bis Ende April einen Abschluss zu erzielen. Diese Fläche soll dann insbesondere für eine Ansiedlung von Firmen zur Verfügung stehen, die im Interesse der Stadt liegen.

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Welche Rolle spielt Nachhaltigkeit bei dem Projekt in Lünen? Werden dort auch Grünflächen entstehen?

Barbara Hagedorn: Nachhaltigkeit ist ein mittlerweile inflationär verwendeter Begriff. Im Kern geht es darum, dass wir als Unternehmen Verantwortung übernehmen müssen und das ist uns bei jedem unserer Projekte bewusst. In Lünen revitalisieren wir eine Fläche, die so groß ist wie 52 Fußballfelder. Indem wir ein solches Bauland wiederherstellen, tragen wir ganz wesentlich zu Umweltschutz und nachhaltigem Wirtschaften bei. Selbstverständlich sind bei dem Projekt zusätzlich auch Grünflächen eingeplant. Außerdem ist für die künftige Bebauung teilweise auch Dachbegrünung vorgesehen.

An welchem Punkt ist für Sie mit Hagedorn die Aufgabe in Lünen beendet und Sie können das Gelände guten Gewissens in neue Hände geben?

Thomas Hagedorn: Bei einem Projekt dieser Größenordnung lässt sich schlecht ein konkreter Zeitpunkt bestimmen, ab wann unsere Aufgabe beendet ist. Dafür sehen wir uns zu sehr als Partner der Region. Unser Ziel war es stets, gemeinsam mit der Stadt etwas Gutes für die Menschen und die Wirtschaft zu entwickeln. Erst wenn dieses Ziel erreicht ist und wir alle Flächen an gute und für die Stadt Lünen akzeptable Kunden veräußert haben, endet unsere aktive Projekttätigkeit. Was nicht heißt, dass wir nicht auch im Anschluss für alle Partner, Kunden und Stakeholder als Ansprechpartner zur Verfügung stehen. Das ist für uns selbstverständlich.

Sie machen Zukunft für ein altes Industriegelände überhaupt erst möglich. Welche Flächen im Ruhrgebiet haben Sie mit Hagedorn bereits in der Vergangenheit für die Zukunft geebnet?

Thomas Hagedorn: Im Jahr 2017 erwarben wir das alte Steinkohle-Kraftwerk Gustav Knepper mit 580.000 Quadratmetern. Mit der Reaktivierung der Fläche sorgen wir dafür, dass dort in naher Zukunft ein moderner Logistik- und Gewerbepark entwickelt wird und damit zahlreiche Arbeitsplätze entstehen. In Bochum bauen wir hingegen auf einer Fläche von 90.000 Quadratmetern das alte Heizkraftwerk Prinz-Regent zurück. Nach dem Rückbau ist die Veräußerung der Fläche an die Wirtschaftsentwicklung Bochum vorgesehen, mit denen wir sehr eng zusammenarbeiten. Eine partnerschaftliche Zusammenarbeit mit der Kommune findet auch bei der Entwicklung der ehemaligen Steinfabrik der Dolomitwerke in Hagen statt – das Grundstück zählt zu den letzten größeren Entwicklungspotentialen der Stadt. Und nicht zu vergessen ist das Areal einer alten Spanplattenfabrik in Duisburg. Unser Team revitalisierte hier eine Fläche von 140.000 Quadratmetern, ehe an dem Standort ein moderner Gewerbepark entstehen konnte.

Barbara Hagedorn: Das sind vier Projekte von vielen, die wir deutschlandweit umsetzen. Wir haben mittlerweile mehr als 3,5 Millionen Quadratmeter selbst erworbene Brachflächen revitalisiert – und dabei das volle Risiko übernommen. Auch für unsere Kundschaft sind wir täglich im Einsatz, um ausgediente Flächen wieder nutzbar zu machen. Nicht selten sind alte Industrie- oder Gewerbebrachen der Schandfleck einer Stadt. Dank der guten Zusammenarbeit mit Top-Architekten und Investoren entwickeln wir attraktive Quartiere und Gewerbeparks mit absolutem Mehrwert – für die Stadt und vor allem für die Menschen, die dort leben.

Das Ruhrgebiet ist für seine Industriekultur bekannt wie beliebt. Spüren Sie schon mal Wehmut, wenn ein über 80 Jahre alte Kraftwerke weichen muss?

Barbara Hagedorn: Wehmut ist immer dabei. Denn auch wenn es unsere Kernkompetenz ist, ausgediente Industrieareale zu revitalisieren, heißt das nicht, dass wir nicht die Historie dahinter betrachten. Doch wir sind der Meinung, dass mit jedem Ende auch ein Anfang verbunden ist. Und ich glaube, wir sollten gerade in diesen Zeiten offen sein für einen Neuanfang. Wir können nicht immer nur über Veränderungen reden, sondern müssen machen und gemeinsam anpacken.

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Hagedorn ist seit 2010 von 86 Mitarbeitende auf 1700 im Jahr 2023 gewachsen – ein großer Erfolg! Sie beide sprechen im Zusammenhang mit Ihrem Unternehmen von Leidenschaft, Lebensinhalt, Spaß aber auch von Perfektionismus und „Pingeligkeit“. Sind das die Zutaten für das Erfolgsrezept von Hagedorn?

Thomas Hagedorn: Mein Job ist mein Hobby und am Ende ist vielleicht genau das unser Erfolgsrezept: Denn wer Spaß hat an dem, was er tut und sich mit Leidenschaft für die eigenen Ideen einsetzt, kann Großes bewirken. Dass meine Frau und ich da stehen, wo wir heute sind, ist aber nicht nur unser Verdienst. Viele Menschen haben an uns geglaubt und uns vom ersten Tag an unterstützt. Vor allem unsere Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern leisten täglich ihren Beitrag und ziehen gemeinsam mit uns an einem Strang. Dafür sind wir unglaublich dankbar.

Barbara Hagedorn: Ich sage immer: Wir sind nicht perfekt, aber ganz gut gelungen. Natürlich läuft nicht immer alles glatt, aber wir sind und bleiben ehrlich, fair und verbindlich. Das sind unsere Werte und dafür stehen wir ein. Vielleicht ist das unser Geheimnis. Aber bei allem Erfolg gehört auch immer eine kleine Portion Glück dazu. Und das haben wir, das wissen wir jeden Tag zu schätzen.